Interkulturelle Systemische Therapie
- Felicitas Zschoche
- 29. Aug. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Apr. 2022
Fremdsprache als Chance in einem interkulturellen Therapie-Setting.

Nicht die gleiche Muttersprache in der Therapie zu sprechen, bringt offensichtlich besondere (erschwerende) Herausforderungen mit sich. Dennoch möchte ich hier, im Sinne des systemischen Denkens, einen Perspektivenwechsel vorstellen und einen Reframing-Versuch unternehmen, Fremdsprache und damit Fremdheit und Interkulturalität als Chance im Therapieprozess zu verstehen.
Ein wesentliches Element systemischer Therapie ist es, mit Perspektiven zu spielen und danach zu suchen, wie die Vielfalt von Perspektiven genutzt werden kann, um Unterschiede zu bisherigen Beschreibungen herzustellen. Und welches Thema wäre besser geeignet, das Spiel mit den Unterschieden zu spielen, als das Thema Multikulturalität? Reframing ist mehr als nur eine Technik. Vielmehr spiegelt sich darin eine Haltung der „systemischen Beschreibung der Welt“ wider. Der konsequente Versuch, in einer neuen Tradition von Beschreibungen einzutreten, die sich aus der Faszination an Defiziten löst, den Blick auf Chancen in Möglichkeiten richtet und nach den „Geschichten unter den erzählten Geschichten“ sucht (Schlippe, Hachimi, & Jürgens, 2003).
Wieso ist eine Fremdsprache als Chance zu verstehen?
Zwei Kulturen bieten einen doppelten Reichtum an Handlungsmöglichkeiten und Lösungsansätzen. Die fremde Sprache mit ihren fremden Begriffen und Symbolen kann im Vergleich zum monokulturellen Setting erleichternd dazu einladen, einmal mehr als weniger nach der Bedeutung zu fragen, um nicht irrtümlich davon auszugehen, man hätte die innere Landkarte des Klientensystems schon verstanden. Stereotype können ganz bewusst für das Joining und im Therapieprozess genutzt werden, um neue Möglichkeitsräume zu kreieren. Wenn affektgeladene Erfahrungen sich in der Fremdsprache schwer ausdrücken lassen, so kann der Klient die emotional wichtigen Sätze in seiner Muttersprache wiederholen. Selbst wenn die Darstellung der Emotionen interkulturell variieren, so kann dieser kulturgefärbte Ausdruck erlernt werden. Das gilt für systemische Therapeuten, die im Ausland arbeiten als auch für solche, die häufig mit Migranten zusammen arbeiten. In einem interkulturellen therapeutischen bzw. beraterischen Kontext, wo sich Menschen mit heterogenen kulturellen Hintergründen und damit einhergehenden unterschiedlichen Sprachreferenzen und -kompetenzen begegnen, gilt die Möglichkeit des gemeinsamen verbalen Austausches zwischen Therapeuten und Klienten als einer der wichtigste Arbeitsgrundlagen. Die optimale Version der sprachlichen Verständigung stellt die bilinguale Sprachkompetenz der Klienten oder des Therapeuten dar. Ist dies nicht der Fall, ist die Hinzuziehung eines Dolmetschers essenziell, der nicht nur als Sprachmittler, sondern auch als Kulturbrücke fungiert.
Die Systemische Therapie bringt ein gutes Inventar mit, um den Besonderheiten in einem interkulturellen Setting zu begegnen, sie aufzugreifen, einzubeziehen und sie zu nutzen.
Comentarios